Online-Interview


NZ Deutschland, Online-Interview erschienen im März 2014

Claudia Edelmann lebt im oberbayrischen Landsberg am Lech, wo Sehenswürdigkeiten der deutschen Kulturgeschichte genauso zu finden sind wie Ursprünge für Klischeevorstellungen der Kiwis von Deutschland. Ob sich schon einmal ein Neuseeländer auf eine Recherchereise nach Oberbayern begeben hat, um seinen Landsleuten deutsche Kulturgeschichte jenseits der Klischees zu vermitteln? Claudia Edelmann, Journalistin und Neuseeland-Fan, hat als Deutsche umgekehrt etwas Vergleichbares gemacht. Sie ist nach Neuseeland gefahren, um mit den Maori zu leben und jenseits der folkloristischen Klischees die Maori Kultur hier in Deutschland zu vermitteln.
7 Fragen – 7 Antworten zu einem Streifzug durch die Maori Kultur, der in Te Kuiti im King Country, Waikato, auf der Nordinsel von Neuseeland Aotearoa begann:

Frage 1: Ihr Buch „Mãori – Neuseelands verborgener Schatz“ verspricht eine Schatzsuche. Warum sind die Mãori der verborgene Schatz von Neuseeland?
Die meisten Menschen reisen der Natur wegen nach Neuseeland und kommen während ihres Aufenthalts nur ganz selten in Kontakt mit Maori. Während sie Neuseeland Aotearoa erkunden, besuchen sie ein paar touristische Veranstaltungen und glauben, dass das, was sie dort sehen, die wahre Maori-Kultur ist. Doch in Wahrheit ist diese dort nicht zu finden, da sie von den Maori nicht öffentlich zur Schau gestellt wird. Wenn man die Maori und ihre faszinierende Kultur in ihrer ursprünglichen Form erleben möchte, dann muss man sie suchen, wie einen kostbaren Schatz. Diese Anstrengung lohnt sich, denn die Maori sind gerne bereit, jedem, der sich ihnen respektvoll und mit aufrichtigem Interesse nähert, ihre Kultur näher zu bringen.

Frage 2: Wie und wann sind Sie als deutsche Journalistin auf die Mãori aufmerksam geworden?
Schon seit 20 Jahren bereise ich Neuseeland Aotearoa und 18 Jahre lang waren die Maori nicht wirklich für mich von Interesse. Wenn ich mich in Neuseeland aufhielt, las ich in der Tageszeitung über die von Maori begangenen Straftaten und ihre Rivalitäten untereinander und auch viele der dort ansässigen Europäer beäugten die Maori-Kultur eher skeptisch. All das trug nicht dazu bei, mein Interesse für diese Menschen und ihre Kultur zu wecken und obwohl ich keinen einzigen Maori persönlich kannte, entwickelte ich gewisse Vorurteile gegen sie. Als ich dann vor ein paar Jahren damit begann als Journalistin zu arbeiten fing ich an, meine Einstellung gegenüber den Maori zu hinterfragen. Eine weitere Reise nach Neuseeland war geplant und so beschloss ich, mich intensiv mit den Maori und ihrer Kultur zu beschäftigen. Nach all dem, was ich im Lauf der Jahre über die Maori gehört und gelesen hatte, wollte ich mir nun selbst ein Bild von diesen Menschen machen.

Frage 3: Sie haben für Ihr Buch sieben Monate bei und mit den Mãori gelebt. Wurden Sie dazu von den Mãori eingeladen?

Nachdem ich den Plan gefasst hatte, über die Maori zu recherchieren, versuchte ich von Deutschland aus einen Kontakt zu entsprechenden Organisationen herzustellen. Doch ich erhielt nur Absagen, was mich sehr wunderte, denn ich wollte ja nur über die Kultur und die Lebenssituation der Maori schreiben. Wenig später kam mir jedoch der Zufall in Form eines Veranstaltungshinweises zu Hilfe. Ein Maori wollte an meinem Wohnort in einem Vortrag über Neuseeland und sein Volk berichten. An diesem Abend lernte ich den Maori Tokowha kennen. Ich erzählte ihm von meinen Plänen, worauf er mich nach Neuseeland einlud und mir zusicherte, mich bei meinen Recherchen zu unterstützen. Diese Einladung war natürlich die optimale Voraussetzung für meine journalistische Arbeit.

Frage 4: Mit den Mãori zu leben, klingt für Deutsche sehr exotisch. Ist es das? Oder ist der Alltag ein ganz typisch neuseeländischer Alltag?

Jede fremde Kultur, mit der man nicht vertraut ist, birgt etwas Exotisches in sich und erst wenn man den Alltag mit den Menschen erlebt sieht man, wie es ihnen tatsächlich geht. Generell kann man sagen, dass die Maori dieselben Probleme haben wie die Neuseeländer, nur sind die Schwierigkeiten der Maori teilweise etwas ausgeprägter. Aufgrund mangelnder Ausbildung sind die Maori öfter von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen und so kann es leichter passieren, dass sie auf die schiefe Bahn geraten. Das trifft vor allem auf die Jugendlichen zu, die dann in irgendwelchen kriminellen Gangs nach Halt und Bestätigung suchen.

Man muss aber auch sehen, dass die Einstellung der Maori zum Leben, zur Arbeit, zu Geld und zur Natur eine andere ist, als die der ansässigen Europäer. Materielle Dinge bedeuten den Maori in der Regel nichts, weshalb sie auch bescheidener sind und weniger Ansprüche an das Leben haben. In einem Land, in dem es wirtschaftlich nicht zum Besten steht, kann das auch ein Vorteil sein.

Frage 5: Sprechen Sie fließend Mãori, die zweite Amtssprache von Neuseeland? Ist es für Deutsche leicht, diese polynesische Sprache zu lernen?

Das würde ich gern, aber ich denke, das wird vorerst ein Traum bleiben. Leider gehen meine Maori-Sprachkenntnisse nicht über die allgemeinen Begrüßungsformeln hinaus. Als ich 2010 anlässlich meiner Recherche nach Neuseeland reiste, hatte ich den Wunsch, Maori zu lernen, doch leider ist es mir in all der Zeit nicht gelungen, jemanden zu finden, der mich in der Sprache unterweisen konnte. Tatsache ist, dass nur sehr wenige Maori ihre Sprache so gut beherrschen, dass sie sie an andere weitergeben können. Es ist also nicht so, wie wenn Sie für ein halbes Jahr nach Schweden reisen und dort automatisch schwedisch lernen, weil die Sprache dort von allen gesprochen wird.

Daher begnüge ich mich im direkten Kontakt mit Maori damit, in meine englischen Sätze einzelne Begriffe aus der Maori-Sprache zu integrieren, wie z. B. whanau (Familie), kai (Essen), kia ora (Danke) tūpuna (Vorfahren), usw.. Die Maori-Sprache selbst hat ihre Tücken, vor allem die Grammatik. Spannend wird es auch bei der richtigen Betonung, denn der Sinn eines Wortes verändert sich, je nachdem, wie man die Betonung legt. Vom Lesen her ist Maori relativ einfach, denn man liest die Wörter so, wie sie dastehen. Die Maori-Sprache ist eine sehr schöne Sprache, die sehr melodisch ist. So empfinde ich es als sehr angenehm Maori zuzuhören, die sich in ihrer Sprache unterhalten, auch wenn ich nur ein paar einzelne Wörter verstehe.

Frage 6: Was Sie nach Ihrem Abschied von den Mãori nach Deutschland, in Ihren Alltag in Oberbayern mitgenommen?
In der Zeit, in der ich bei den Maori lebte, habe ich ein enges Verhältnis zu diesen Menschen entwickelt. Ich habe an ihrer Freude ebenso teilgenommen, wie an ihrem Leid, war auf Hochzeiten aber auch bei Beerdigungen dabei.

Ich kann sagen, dass der Kontakt zu den Maori meine persönliche Lebenseinstellung maßgeblich verändert hat. Die Māori sind stark mit Mutter Erde und allem darauf lebenden verbunden und in der Regel spielen materielle Dinge und der Erwerb von Besitztürmern in ihrem Leben eine sehr untergeordnete Rolle. Wenn man mit solchen Menschen zusammenlebt, dann wird man viel bescheidener und überlegt sich vor dem Kauf einer Sache, ob man diese wirklich braucht. Dadurch, dass nach Beendigung meines Buchprojekts der Kontakt von beiden Seiten aufrechterhalten wurde, nehme ich immer noch am Leben meiner Freunde teil, auch wenn ich jetzt gerade 20 000 Kilometer von ihnen entfernt bin. Da ich nach wie vor einmal im Jahr nach Neuseeland reise und während meines Aufenthalts bei Maori-Familien lebe, werde ich immer wieder an ihre Werte erinnert und kann diese so besser verinnerlichen.

Frage 7: Reicht es, nur Ihr Buch zu lesen oder empfehlen Sie anderen, Ihrem Beispiel zu folgen und eine Reise zu den Mãori zu machen?
Wer es sich erlauben kann, nach Neuseeland Aotearoa zu reisen, um die Maori persönlich kennen zu lernen, der sollte das selbstverständlich tun. Am besten lernt man die Menschen und deren Kultur kennen, wenn man persönliche Kontakte zu ihnen hat. Man kann das Buch natürlich als Vorbereitung auf seine geplante Neuseelandreise lesen. Ich wäre damals froh gewesen, wenn ich mich vorab in einem Buch über die Maori-Kultur informieren hätte können. Bei den Maori gibt es eine Art Verhaltenskodex, genannt Tikanga Maori, der die Art beschreibt, wie Maori gewisse Dinge tun. Zum Beispiel sollte man es tunlichst vermeiden, auf einen Esstisch, andere Sachen als Nahrungsmittel zu legen. Wenn man etwa ein Buch oder seine Tasche auf den Esstisch legt, ist das ein absoluter Fauxpas. Das Buch, das ich in Zusammenarbeit mit Maori geschrieben habe ist sehr hilfreich, um die Maori-Kultur zu verstehen und sich im Umgang mit den Menschen richtig zu verhalten.

Die Maori freuen sich sehr, wenn sich Menschen aus anderen Ländern für ihre Kultur interessieren. Aus diesem Grund wurde die Kooperation „Maori Adventure“ gegründet. Hier erhalten interessierte Menschen die Möglichkeit, in Neuseeland Aotearoa direkt mit Maori zu reisen und so diese wunderbare Kultur zu entdecken und zu verstehen.


Interview mit Claudia Edelmann: Māori – Neuseelands verborgener Schatz
von Stepin veröffentlicht am 05.März 2012


In unserer letzten Freitagsrezension hatten wir das tolle Buchprojekt der deutschen Journalistin Claudia Edelmann vorgestellt: Māori – Neuseelands verborgener Schatz erzählt von einem längeren Aufenthalt der Autorin bei den neuseeländischen Ureinwohnern und wir freuen uns sehr, dass Frau Edelmann sich für ein ausführliches Interview zur Verfügung gestellt hat. Ein Gespräch über Neuseeland, ihr Buchprojekt und das Leben bei den Māori.

Hallo Frau Edelmann. Zunächst vielen Dank, dass Sie sich etwas Zeit für unsere Fragen genommen haben. Wo erreichen wir Sie gerade?

Hallo und vielen Dank für Ihr Interesse an meinem Projekt. Ich bin gerade dabei eine neue Vortragsreihe vorzubereiten, welche die indigene Bevölkerung Neuseelands, die Māori, zum Thema hat.

Bevor wir mit dem eigentlichen Interview beginnen, möchten wir Sie bitten, sich kurz mit eigenen Worten unseren Lesern vorzustellen.

Mein Name ist Claudia Edelmann. Ich arbeite seit fünf Jahren als freie Journalistin & Autorin. Neuseeland und die Māori, sind mein Schwerpunktthema und erst vor kurzem habe ich über die Māori das Buch „Māori-Neuseelands verborgener Schatz“ geschrieben.

Damit zum Thema Neuseeland und seine Ureinwohner, die Māori. Wie kamen Sie zum ersten Mal in Kontakt mit Neuseeland und worin liegt für Sie die Faszination von Aotearoa?

Ich bin bereits im Jahr 1992 zum ersten Mal nach Neuseeland gereist und war sofort von dem Land begeistert. Danach bin ich, so oft es meine Zeit und meine finanzielle Situation erlaubten, immer wieder nach Neuseeland geflogen. Während der Anfangszeit lag die Faszination Neuseelands für mich eindeutig in der Schönheit des Landes. Erst im Jahr 2008 hat sich mein Fokus verändert als sich in mir der Wunsch entwickelte, mich intensiv mit der indigenen Bevölkerung Neuseelands zu beschäftigen.

Faszination und Begeisterung für ein Land bzw. seine Bewohner sind sicherlich eine Sache. Die Entscheidung, ein Buch zu schreiben, ist aber schon etwas anderes. Können Sie uns etwas über den Entstehungsprozess der Idee berichten?

Wie bereits erwähnt beschränkte sich mein Interesse an Neuseeland viele Jahre lang auf die Natur und Landschaft. Meine Einstellung gegenüber den Māori war zu Beginn eher neutral, doch je mehr ich in Zeitungen über die von ihnen begangenen Straftaten und Rivalitäten untereinander las, desto skeptischer wurde ich. Viele Māori lebten von der Sozialhilfe, ihre Häuser waren zumeist unordentlich und ungepflegt und wilde Geschichten von gewaltbereiten Gangs, die die Straßen unsicher machten, kursierten. All das warf kein gutes Bild auf die Maori und ich verspürte keinerlei Verlangen, mit diesen Menschen in Kontakt zu treten.

Im Jahr 2008 reifte dann in mir der Entschluss, meine Vorurteile gegenüber den Māori auf Richtigkeit zu überprüfen. Ich hatte mich in all den Jahren so sehr auf das Land konzentriert, dass ich dabei seine Menschen vergessen hatte. Meine Einschätzung der Māori basierte ausschließlich auf dem was ich gehört und gelesen hatte. Für einen Journalisten war das allerdings keine akzeptable Grundhaltung. Ein Buchprojekt, das die aktuelle Lebenssituation und die Kultur der neuseeländischen Ureinwohner zum Thema hatte, schien mir ein in einem vernünftigen Zeitrahmen realisierbares Projekt zu sein.

Neben den vielen großformatigen Bildern/Fotos fällt an dem Buch vor allem seine Mehrsprachigkeit auf. Wie kam es zu dieser – für den deutschen Buchmarkt doch eher ungewöhnlichen – Entscheidung?

Da das Buch mit der Unterstützung und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Māori entstanden ist, war es für mich sehr wichtig, dass die Māori dieses Buch lesen können. Daher mussten alle Texte auch in Englisch zur Verfügung stehen. Māori war viele Jahrzehnte unterdrückt und sogar verboten, weshalb auch die Māori-Sprache in dem Buch einen gebührenden Platz haben sollte. Wie konnte ich behaupten die Kultur der Māori zu respektieren, wenn ich die Sprache der Menschen ausschloss? Das ließ sich für mich nicht miteinander vereinbaren.

Die Māori sind heute wieder stolz auf ihre Sprache und so schien es mir angebracht im Kapitel „Kurzbiographien“ die Texte in der Māori-Sprache direkt neben dem Foto des Erzählers zu platzieren und erst im Anschluss daran die Übersetzungen in Deutsch und Englisch folgen zu lassen.

Für die Recherchen zum Buch haben Sie selbst einige Zeit bei den Māori in der Kleinstadt Te Kuiti (King Country, Waikato, auf der neuseeländischen Nordinsel) gelebt. Wie würden Sie das Leben dort beschreiben?

Te Kuiti ist eine Kleinstadt mit etwa 4000 Einwohnern, die von den meisten Touristen unbeachtet bleibt. Kultureller Anziehungspunkt des Städtchens ist das Versammlungshaus Te Tokanganui-a-Noho, das im Leben des lokalen Māori-Stammes Ngāti Maniapoto eine zentrale Rolle spielt. Die Stadt selbst hat nicht viel zu bieten, kein Kino, keine Restaurants und auch die Arbeitssituation ist eher schwierig. Hätte ich die Wahl gehabt, wäre ich sicher woanders hingegangen, doch zu dem Zeitpunkt kannte ich außer dem Māori Tokowhā niemanden. Für meine Recherchen erwies sich Te Kuiti durch seine zentrale Lage allerdings als der perfekte Ort.

Wir haben uns vor einigen Monaten im Rahmen einer Themenwoche sehr intensiv mit den australischen Ureinwohnern und ihrem Kampf um politische Anerkennung beschäftigt. Soweit wir es aus der Distanz beurteilen können, ist das Verhältnis bzw. die gesellschaftliche Stellung der Maori in Neuseeland ähnlich kompliziert. Wie würden Sie die Lebenssituation der Māori heute einschätzen?

Die Situation der Māori in Neuseeland hat sich in den letzten Jahrzehnten auf jeden Fall verbessert. Im Gegensatz zu vielen anderen indigenen Völkern dieser Erde haben die Māori ihren Unmut über Missstände offen zum Ausdruck gebracht und hartnäckig eine Änderung verlangt. Die Māori waren immer Krieger und es ist nicht ihre Art, sich widerstandslos ihrem Schicksal zu ergeben bzw. die Umstände einfach so hinzunehmen.

Das ist gut so, denn nur so ist und war es möglich, die Māori-Kultur zu erhalten. Vieles von der Kultur ist leider in den Jahren der Unterdrückung unwiederbringlich verloren gegangen, doch heute wird von beiden Seiten, Māori als auch Pākehā, vieles getan, um die Kultur lebendig zu erhalten. Ein gutes Beispiel ist die Früherziehung von Kindern in den sogenannten Kohanga Reo-Schulen, in denen schon die Kleinen in den Traditionen und dem überlieferten Wissen der Māori unterwiesen werden. Dadurch, dass sie mit der Sprache aufwachsen, sind sie in der Lage, älteren Familienangehörigen zu helfen, Māori zu erlernen. Das ist wirklich eine tolle Sache!

Sie erwähnen in Ihrem Buch, dass es teilweise einige Auseinandersetzungen und Missverständnisse zwischen Ihnen und Ihrem Gastgeber Tokowhā gab. Können Sie uns davon ein bisschen berichten?

Nun ja, mein Gastgeber hatte einige Schwierigkeiten mit meiner „typisch deutschen“ Arbeitsmentalität. Wir Deutschen planen ja gerne und sind sehr zielorientiert bei unserer Arbeit. Oftmals besuchte ich meine Interviewpartner mehrmals, um sie zu befragen und einen genauen Einblick in ihre Lebenssituation zu erhalten. Tokowhā hatte dafür wenig Verständnis und kritisierte mich dafür. Er hatte auch eine genaue Vorstellung davon, wie ich meine Recherchen durchzuführen hatte und da kam es eben hin und wieder zu gewissen Unstimmigkeiten.

In Ihrem Buch gehen Sie auch auf die Sprache der Māori ein und berichten, dass viele Ureinwohner diese nicht sprechen können. Sozusagen ein Volk ohne eigene Worte. Hatten Sie trotzdem die Möglichkeit, ein paar Brocken Māori zu lernen?

Māori ist eine sehr schöne Sprache und ich war etwas traurig, dass es mir in Te Kuiti nicht gelungen ist, jemanden zu finden, der mich in der Sprache unterweisen konnte. Daher habe ich mich meiner Freundin Pipiana, einer 77-jähringen Dame, die die Sprache auch erlernen wollte, in ihrem Unterricht angeschlossen. Ansonsten habe ich mir mit diversen Sprachprogrammen, die kostenfrei im Internet angeboten werden, beholfen.

Mein Vokabular beschränkt sich allerdings auf die Begrüßung meines Gegenübers und dem Verständnis einiger gängiger Māori-Begriffe. Wenn ich in Neuseeland bin, dann finden sich in meinen englischen Sätzen auch immer wieder einzelne Begriffe aus der Māori-Sprache, wie z. B. whanau (Familie), kai (Essen), tēnā koe (Guten Tag), tūpuna (Vorfahren), usw.

Wie haben die Māori auf Ihre Recherche und Ihr Buch reagiert?

Als ich in Neuseeland für das Buch recherchierte waren die Reaktionen unterschiedlich. Es gab Menschen, die mir gegenüber sehr offen waren und freimütig über ihre Kultur berichtet haben. Es gab aber auch solche, die mich mit einem gewissen Argwohn betrachteten, weil sie nicht wussten, was ich mit der Information tun würde.

Bei dem Buchprojekt war mir Transparenz daher sehr wichtig. Ich wollte auf keinen Fall Informationen veröffentlichen, die bei den Māori als Interna galten. Ich habe mich dann auch auf die Suche nach einem Māori gemacht, der das Buch als Cheflektor begleiten würde. In dem erfahrenen Mann Piripi Waretini, der auch schon für die Neuseeländische Regierung als Übersetzer gearbeitet hat, habe ich dann den idealen Unterstützer gefunden. Piripi hat den gesamten Inhalt des Buches überwacht und Korrektur gelesen. Das traf auch auf die im Buch verwendeten Bilder zu. Diese Vorgehensweise gab den Māori eine gewisse Sicherheit und schaffte Vertrauen zwischen uns.

Nach der Veröffentlichung des Buches reiste ich dann auch nach Neuseeland, um den Māori das Buch vorzustellen. Die Resonanz war sehr positiv, worüber ich sehr glücklich bin.

Die Māori haben mich bei meiner Arbeit sehr unterstützt, weshalb sie nun auch von dem Buch profitieren sollen. Einige Hundert Bücher sind derzeit auf dem Weg nach Neuseeland und der größte Teil des Erlöses kommt den Kohanga Reo-Schulen in Neuseeland zugute.

Was waren die Höhepunkte Ihres Aufenthalts?

Eines meiner schönsten Erlebnisse innerhalb der Māori-Kultur war mein erstes Pōwhiri (die offizielle Begrüßungszeremonie der Māori). Noch heute höre ich die Stimme der kuia (ältere Frau), die das Pōwhiri mit ihrem Gesang einleitete. Dadurch, dass ich so eng mit den Māori zusammenlebte, hatte ich die Möglichkeit, ganz nah in die Kultur hineinzublicken. Das war ein wunderbares Vorrecht für mich. Ich durfte ja bei allem dabei sein, ob das Hochzeiten, Familienfeste, Beerdigungen oder das Diskutieren von Problemen innerhalb der Familie waren. Ich bin den Māori sehr dankbar, dass sie mich so offen in ihrer Gemeinschaft aufgenommen haben.
Hat der Aufenthalt bei den Māori Ihre Sichtweise auf Neuseeland verändert? Wenn ja, inwiefern?

Bereist man Neuseeland als Tourist, dann sieht man nur die Schönheit des Landes, denn nirgendwo hält man sich lange genug auf, um einen tieferen Einblick in das Leben der Menschen zu bekommen. Durch das enge miteinander mit den Māori hatte ich die Möglichkeit, auch den Alltag von Māori-Familien zu erleben. Viele Māori haben finanzielle Probleme und sind auf staatliche Unterstützung angewiesen. Durch die vielen Gangs ist die Kriminalität sehr hoch, selbst in ländlichen Gegenden muss man vorsichtig sein. Da sind von Seiten des Staates und von engagierten Māori-Vereinigungen auf jeden Fall noch Maßnahmen und Hilfestellungen nötig.

Der Kontakt zu den Māori hat aber auch meine persönliche Lebenseinstellung verändert. Die Māori sind stark mit Mutter Erde und allem darauf lebenden verbunden und in der Regel spielen materielle Dinge und der Erwerb von Besitztürmern in ihrem Leben eine sehr untergeordnete Rolle. Wenn man mit solchen Menschen zusammenlebt dann wird man viel bescheidener und überlegt sich vor dem Kauf einer Sache, ob man diese wirklich braucht.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Werden Sie bald wieder nach Neuseeland reisen?

Ich bin erst kürzlich von einer mehrwöchigen Reise aus Neuseeland zurückgekehrt. Ich freue mich darüber, dass sich aus den Freundschaften mit den Māori zwischenzeitlich verschiedene Kooperationen ergeben haben. So besteht das Angebot, Menschen, die daran interessiert sind Ausflüge und Touren mit Māori zu unternehmen, direkt an erfahrene Māori-Guides zu vermitteln. Ich unterhalte auch Kontakte zu Māori-Künstlern, deren Kunstwerke ich in Kürze in einem Online-Shop anbieten werde. Mehr Informationen zu den Projekten gibt es auf meiner Website: www.maori-adventure.de. Im Oktober werde ich erneut nach Neuseeland reisen um weitere gemeinsame Projekte mit den Māori zu realisieren.

Bevor wir zum Schluss kommen noch eine abschließende Frage: Neben ihrem eigenen Buch existieren auf dem deutschsprachigen Markt nur sehr wenige Publikationen zu diesem Thema. Können Sie dem interessieren Leser – natürlich neben Ihrem eigenen Buch – einige Literaturtipps geben?

Auf dem deutschen Markt Bücher zu dem Thema zu finden ist in der Tat sehr schwierig. Menschen, die in die Tiefe gehen wollen, sind mit dem Buch Buch: „Song of Waitaha“, gut beraten. Dann hätte ich da noch zwei englischsprachige Bücher, die mir bei meinen Recherchen sehr nützlich waren: „Moko“ von Michael King ist sehr empfehlenswert, ein Bildband, dessen Schwerpunkt auf der Kunst des Moko kauae (Kinntätowierung) liegt.

Wer über „Tikanga Māori“ (die Māori-Art, Dinge zu tun) mehr erfahren möchte, dem würde ich das Buch „Tikanga Whakaaro“ ans Herz legen. Das Buch ist sehr hilfreich, die Māori-Kultur zu verstehen und sich im Umgang mit den Māori richtig zu verhalten.

Und in unserer guten Tradition der berühmt-berüchtigten „letzten Worte“, hier ist Ihre Chance (…)

Jeder von uns sollte sich seinen Lebenstraum verwirklichen und sich durch nichts davon abhalten lassen. So wie schon Sergio Bambaren sagte: „Nur wer seine Träume lebt, kann seine Sehnsucht stillen.“ Auch wenn es auf meinem Bankkonto oftmals mager aussieht, so bin ich doch sehr dankbar für die Möglichkeit als Journalistin zu arbeiten.

Vielen Dank.